Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt

90-mal fällt im Kommentar das Wort „schwul“, das 1971, zwei Jahre nach Abschaffung des § 175, noch im Hate-Speech-Kontext stand; die Betroffenen hatten es sich noch nicht selbstbewusst angeeignet. Auf die stumm gedrehten Bilder schwuler Klischee-Szenen gelegt und in deklamatorischem Ton vorgetragen, provozierte das diejenigen, die gar nichts davon hören wollten, wie diejenigen, die unter diesem Begriff litten, gleichermaßen. Die Kritik des Films, aus vorsätzlich „diffuser Künstlereinstellung“ (Praunheim) artikuliert, Elemente von Spiel- und Dokumentarfilm, Pamphlet und Aufruf vermischend und damit klassische Filmnarrationen queerend, richtete sich vorallem an die eigene Szene, der Praunheim selbstverschuldete Unsichtbarkeit vorwarf. Aus den Diskussionen um die durch den Film entstandene Sichtbarkeit entwickelte sich die moderne deutsche Schwulenbewegung. Ein seltenes Beispiel für einen Film mit direkter gesellschaftspolitischer Wirkung.

Details

  • Länge

    67 min
  • Land

    Deutschland
  • Vorführungsjahr

    2020
  • Herstellungsjahr

    1971
  • Regie

    Rosa von Praunheim
  • Mitwirkende

    Berryt Bohlen, Bernd Feuerhelm, Steven Adamczewski, Dietmar Kracht, Manfred Salzgeber, Ernst Kuchling, Norbert Losch
  • Produktionsfirma

  • Berlinale Sektion

    Anniversary Program
  • Berlinale Kategorie

    Spielfilm