E-Love

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Paule ist fast 50, wie sie wiederholt aus dem Off konstatiert. Philosophie-Dozentin, seit zehn Jahren verheiratet, eine 15-jährige Tochter. Als sie von der 28-jährigen Geliebten ihres Mannes erfährt, erhält die Zahl 50 ein besonderes Gewicht. Das Internetportal L’âme-soeur soll Paule über die sich manifestierende Midlife-Crisis hinweghelfen. Seelenverwandte findet sie dort zwar nicht, aber eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich neu zu entdecken und sexuell auszuprobieren. Eine Tragikomödie mit deutlicher Betonung auf der zweiten Worthälfte. Zu Musik von Vivaldi gleitet der Film beschwingt von einem Rendezvous zum nächsten, ohne das Geschehen zu bewerten, bei dem man sich nie ganz sicher sein kann, was Traum, Fantasie oder „Wirklichkeit“ ist. Nebenbei ist E-LOVE auch eine Hommage an die zwei Regisseure der Nouvelle Vague, die sich am häufigsten mit der Möglichkeit der Liebe beschäftigt haben. Alain Libolts Gastauftritt ist ein Augenzwinkern zu Éric Rohmers CONTE D'AUTOMNE. Und Paules Tränen beim Kinobesuch (die einen dritten Regisseur aus dem Kreis zitieren) von LA PEAU DOUCE - DIE SÜSSE HAUT sind nicht nur eine Verneigung vor François Truffaut, sondern auch eine Hommage an das Kino, den Ort, an dem Paule, so scheint es, die erste wirkliche Begegnung erlebt.  Hans-Joachim Fetzer 
Schneller als im wahren Leben
E-LOVE ist eine Komödie über romantische Begegnungen, mit all ihren Rätseln, Missverständnissen und Wendungen. Der klassische Verlauf wird in diesem Film durch eine zeitgemäße Komponente gestört: den süchtig machenden Besuch von Singletreff-Internetseiten. Im Netz geht alles schneller als im wahren Leben – schneller, direkter, aber auch plumper. Die schöne Paule wird kurz vor ihrem 50. Geburtstag von ihrem vermeintlichen Mann fürs Leben auf die banalste Weise sitzengelassen. Ihre Schwester drängt sie, sich bei L’âme-soeur anzumelden. Alter und Herkunft unserer Protagonistin würden ihr diese Art der Kontaktaufnahme mit Männern normalerweise inakzeptabel erscheinen lassen, außerdem ist sie romantischer und sentimentaler, als sie es sich eingestehen will. Im Laufe eines Sommers trifft Paule sich mit einer Reihe von Männern: es sind ganz junge oder deutlich zu alte Männer, depressive Typen oder Zyniker. Sie trifft auf Männer, die gleichermaßen an ihren Handys wie an ihren Illusionen hängen. Es sind Männer, die wie Paule nicht wissen, wohin ihr Leben sie führt – kurz gesagt: Männer wie im wirklichen Leben. Zu Beginn schien mir ein klassisches Happy-End für diese Geschichte undenkbar. In Bezug auf Singletreff-Websites überkommen mich instinktiv die gleichen Gefühle wie Paule zu Beginn: Wie kann man nur glauben, dass sich nach ein paar Mausklicks Liebe finden lässt, wenn es dabei doch vor allem auf Zeit, Geduld und die Träume ankommt, die man in Romantik und Sehnsucht investiert? Trotz allem wollte ich Paule bei ihren unterschiedlichen Begegnungen ohne moralische Vorurteile begleiten. Und zu meiner großen Überraschung bewahrheiteten sich meine schlimmsten Befürchtungen nicht: Paule stürzt nicht ab. Im Gegenteil: Sie verändert sich, entwickelt Hartnäckigkeit und Mut angesichts ihrer Herausforderungen. Schließlich wird ihr bewusst, wer sie geworden ist: eine andere Frau, erfüllt von neuer Leidenschaft.
Anne Villacèque 

Details

  • Länge

    97 min
  • Land

    Frankreich
  • Vorführungsjahr

    2011
  • Herstellungsjahr

    2010
  • Regie

    Anne Villacéque
  • Mitwirkende

    Anne Consigny, Antoine Chappey, Carlo Brandt, Carole Franck, Maher Kamoun, Serge Renko, Alain Libolt, Jacky Ido, Rebecca Marder, Laurent Manzoni, Evelyne Didi, Laurent Fernandez
  • Produktionsfirma

    Agat Films & Cie, Paris
  • Berlinale Sektion

    Forum
  • Berlinale Kategorie

    Spielfilm

Filmografie Anne Villacéque

2005 Riviera | 2014 Wochenender in der Normandie