Poo Kor Karn Rai (ผู้ก่อการร้าย)

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Der Film ist unterteilt in sieben unabhängige Segmente und ist eine Mischung aus dem Dokumentar- und Experimentalfilmgenre. In dem den Leben von Laiendarstellern aus verschiedenen Teilen Thailands gefolgt wird, bringt der Film uns auf verschwommene Pfade, entstellte Erinnerungen und kürzlich konstruierte Geschichten. Wir graben fehlende Puzzleteile aus, in dem Versuch herauszufinden, weshalb die thailändische Demokratie noch immer als rückwärtsgewand und eingefroren betrachtet wird. Betrügen wir uns selbst darin zu glauben eine demokratische Gesellschaft zu sein, wenn wir es doch nicht sind? Der Film beginnt auf einem Fischerboot während wir zwei Jungs in einer unverständlichen Sprache mit einander sprechen sehen. Der Film schreitet voran auf dem Licht, das durch das Wasser bricht, ruht auf ihm und beobachtet kleine Lebewesen, die unter der Oberfläche schwimmen, während sie überlagert werden von einem menschlichen Körper - geopfert von einer Person, die nicht zu sehen ist. Unter der Dunkelheit einer Gummifarm, beleuchtet nur schwaches Licht von den Lampen den Weg. Die Wahrheit der Gegenwart wird überlagert vom Blutdurst der Vergangenheit. Die Vergangenheit wird aus der Thai Geschichte gelöscht und was übrig bleibt ist nur die Anschuldigung, dass sie Terroristen sind.
Ein schwarzes Tuch des Vergessens, des Verdrängens, des Vertuschens hat sich über die Ereignisse in Bangkok im Frühjahr 2010 gelegt. Schwarz wie die Nacht, die den Film in völliger Dunkelheit eröffnet. Zwei Männer sind auf einem Fischerboot unterwegs und reden, man spürt eher als man sieht, dass das Meerwasser um sie herum schmeichelnd und warm ist und voller bunter Fische. Auch die nächtliche Kautschukplantage wirkt verlockend und geheimnisvoll, bis grelle Erinnerungen an das blutige Massaker aufblitzen. Schockiert von den Nachrichten, von den nachfolgenden Repressionen des autoritären Königreichs, aber auch von der lähmenden Passivität, die auf den Aufstand der prodemokratischen Rothemden folgte, ist dieser Film entstanden. Eine radikal persönliche Bestandsaufnahme in 17 einzelnen Episoden. Ein empörter Protest in Tagebuchform, der sexuellen Widerstand und erotische Fantasien neben nachdenklichem Stöbern im Familienalbum des Regisseurs zu einem irritierenden Pamphlet zusammenfügt. Als Thunska in den 70er Jahren ein kleiner Junge war, musste er mit seiner Mutter schon einmal aus Bangkok in den Süden fliehen. Der Film stellt Fragen, ohne Antworten zu wissen, er bietet ungewöhnliche Einblicke in eine stark traumatisierte Gesellschaft.
Dorothee Wenner
Das autoritäre Königreich
In Thailand gibt es eine Redewendung: Das Leben eines Menschen ist nicht das Leben eines Fisches. Gemeint ist damit, dass Menschen nicht aus Spaß gefangen, gejagt, getötet oder gekocht werden dürfen. Außerdem bezeichnen wir Thailand als ein buddhistisches Land, und eines der fünf Gebote dieser Religion gebietet, nicht zu töten. Mittlerweile scheinen derartige Grundsätze in unserem Land keine Gültigkeit mehr zu haben. Stattdessen kann jeder verfolgt werden, der im Verdacht steht, kritisch über unser Land, unsere Religion und unseren König gesprochen zu haben. Ich war lange Zeit politisch nicht aktiv; das änderte sich, als das thailändische Kulturministerium die Aufführung meines Films THIS AREA IS UNDER QUARANTAINE auf einem nationalen Filmfestival verbot. In der Begründung des Verbots hieß es, der Film gefährde die nationale Sicherheit. Damals wurde mir das beängstigende Ausmaß der Einflussnahme durch die thailändische Regierung bewusst und der Umfang, in dem staatliche Stellen den Nachrichten- und Informationsfluss kontrollieren. Zur Zeit der Massaker in Bangkok Anfang 2010 konzentrierten sich die Medien darauf, in den Nachrichten Unterhaltsames zu präsentieren, anstatt die Bevölkerung des Landes darüber zu informieren, was gerade passierte. Man konnte fast glauben, die Massaker fänden gar nicht statt. In den Nachrichten wurde ausschließlich das gezeigt, was die Regierung uns glauben machen wollte. Über ausländische Nachrichtenagenturen gelangten schließlich doch Informationen über das wahre Geschehen in unser Land, worauf die Regierung bei dem Versuch, die Wahrheit zu unterdrücken, den Zugriff auf Websites wie YouTube sperrte.
Falsche Treue
Dieses Vorgehen erinnerte mich an meine Kindheit und die Art, wie damals wichtige historische Ereignisse aus unseren Schulbüchern getilgt, marginalisiert oder bewusst falsch gedeutet wurden. Menschen, die öffentlich einen demokratischen Staat einforderten, wurden als Terroristen gebrandmarkt, während viele tatsächliche Terroristen mit wichtigen politischen Ämtern belohnt wurden. Eins ist vielen Menschen hier besonders schwer verständlich: Uns Thailändern wurde beigebracht, den König wie den eigenen Vater zu verehren und zu lieben. Jeder, der sich in unserem Land für einen demokratischen Staat einsetzt – den es hier noch niemals gegeben hat –, wird automatisch bezichtigt, den eigenen Vater, den König, nicht zu lieben. Vor allem die Mittelschicht lässt sich von diesen Manövern dahingehend beeinflussen, ihre Treue zum König besonders engagiert unter Beweis zu stellen. Als die Rothemden letztes Jahr Neuwahlen forderten, traten viele Angehörige der Mittelschicht der Facebook-Gruppe Social Sanction bei, die treffend mit „S.S.“ abgekürzt wird. Über deren Website wurde eine Hexenjagd initiiert: Unterstützer der Rothemden wurden namentlich, mit Foto, persönlichen Angaben, Adresse und Telefonnummer aufgeführt. Einzelpersonen wurden denunziert, erhielten Drohanrufe, ihre Arbeitgeber wurden aufgefordert, sie zu entlassen. In einigen Fällen kam es zu tätlichen Übergriffen. All das geschah im Namen des „Vaters“, des Königs. Die Regierung duldete das Vorgehen der Social Sanction-Bewegung. Viele Menschen wurden wegen Majestätsbeleidigung in Haft genommen, manche sitzen immer noch im Gefängnis. Als Thailänder bin ich in größter Sorge darüber, wie es in meinem Land weitergehen wird. Die Regierung kann jeden verhaften oder bestrafen, den sie als Feind sieht. Auch wenn dieser Film nicht die gesamte Wahrheit darstellen kann, zeigt er die Umstände dennoch umfassender und  wahrhaftiger als jeder andere thailändische Film bislang.
Thunska Pansittivorakul
Der Premierminister
Thaksin Shinawatra wurde am 27. Februar 2001 zum Premierminister gewählt und hatte das Amt bis zum 17. September 2006 inne. Seit dem 17. Dezember 2008 ist Abhisit Vejjajiva thailändischer Premierminister.
Die Gelbhemden
Die politische Gruppierung People’s Alliance for Democracy (PAD) beteiligte sich zwischen 2005 und 2009 aktiv am politischen Geschehen in Thailand. Ihr Ziel war es, den damaligen Premierminister Thaksin Shinawatra zu stürzen und die Kandidatur von Abhisit Vejjajiva zu unterstützen. Die Aktivitäten der PAD trugen maßgeblich zum Militärputsch 2006 bei. Die anschließende Militärregierung hielt sich bis zu den 2007 durchgeführten Wahlen, bei denen eine Thaksin-nahe Partei siegte. Daraufhin formierte sich die PAD neu und war 2008 mit Protestmaßnahmen aktiv. Wiederum ging es der Gruppierung um den Sturz des Premierministers. Ihren Gegnern warf die PAD fehlende Loyalität  gegenüber dem thailändischen Königshaus vor. Im November 2008 gelang PAD-Anhängern die Besetzung des Flughafens Suvannabhumi in Bangkok, in dessen Folge der damalige Premierminister als vermeintlicher Thaksin-Gehilfe aus dem Amt gedrängt wurde. Zur gleichen Zeit bat ein hochrangiges Mitglied des Militärs eine Gruppe von Parlamentsvertretern der Thaksin-Partei, zur Opposition überzuwechseln, um damit der Opposition zur Mehrheit und zur Bildung einer neuen Regierung zu verhelfen. Auf diesem Wege wurde Abhisit Vejjajiva als Premierminister an die Spitze der thailändischen Regierung gesetzt, ohne von der Bevölkerung gewählt worden zu sein.
Die Rothemden
Die National United Front of Democracy Against Dictatorship (UDD) wurde 2007 in Opposition zur Militärregierung gegründet, die die Regierungsgeschäfte nach dem Militärputsch 2006 übernommen hatte. Am 26. Dezember 2007 stellte die UDD ihre Aktivitäten zunächst ein, nachdem eine Thaksinnahe Partei die Wahlen gewonnen hatte. Mit der erneuten Formierung der gegnerischen PAD nahm auch die UDD ihre Aktivitäten wieder auf. In der Folge der Ernennung von Abhisit Vejjajiva zum Premierminister wandte sich die UDD gegen dessen Regierung, da sie das Militär hinter der Regierungsbildung vermutete. Abhisit verhängte den Ausnahmezustand und ordnete die militärische Belagerung der Demonstranten an; diese beendeten daraufhin ihre Kundgebungen am 14. April 2009 von sich aus. Ein Jahr später, am 8. April 2010, verhängte Abhisit erneut den Ausnahmezustand sowie ein Sendeverbot für den Fernsehsender der UDD. Darüberhinaus blockierte er Websites, die über die Proteste informierten, und unterdrückte jegliche Berichterstattung im Fernsehen, die die Regierung in einem negativen Licht darstellten. Am 10. April 2010 gab die Regierung den Befehl, den Protest mit Militärgewalt aufzulösen. Das Ergebnis waren 20 Tote und 850 Verletzte. Einen am 3. Mai vorgelegten Versöhnungsplan zog Abhisit kurze Zeit später wieder zurück. Ein weiteres Mal, zwischen dem 14. und dem 18. Mai, belagerten militärische Truppen auf Befehl der Regierung das Gebiet der Demonstranten und gingen diesmal mit Scharfschützen und Panzern gegen sie vor. Bei den Zusammenstößen wurden 91 Menschen getötet, 2.000 Menschen verletzt. Die Regierung hielt den Ausnahmezustand über sieben Monate lang aufrecht. In dieser Zeit wurden 50.000 Websites blockiert, einige der Protestler wurden aufgespürt, inhaftiert und ermordet. Die Verantwortlichen blieben unerkannt und konnten somit nicht vor Gericht gestellt werden. Im letzten Jahr erhielt das thailändische Militär einen Jahresetat von 220.000 Millionen Baht (umgerechnet 7,3 Milliarden US-Dollar), so viel wie noch nie zuvor in der Geschichte des thailändischen Militärs.
Zensur in Thailand
Die letzte thailändische Filmverordnung wurde 1930 erlassen und war bis 2008 in Kraft. 2008 verhängte die Militärregierung eine neue Verordnung für Film und Video: B.E. 2551. Diese sieht unter anderem sieben Altersfreigabe-Kategorien vor:
1. Lehrfilme, deren Vorführungen unterstützt werden
2. Filme, die für alle Altersgruppen geeignet sind
3.-5. In Begleitung der Eltern: geeignet für Zuschauer ab 13/15/18 Jahren und aufwärts
6. Ungeeignet für Zuschauer unter 20 Jahren
7. Aufführungsverbot im Königreich Thailand
Die Regierung fördert die Aufführung von Filmen der 1. Kategorie. Filme dieser Gruppierung müssen:
1. Themen enthalten, die den Wert der Bildung, des ethischen Verhaltens, der Kultur, Tradition und Moral unterstreichen
2. Themen enthalten, die eine sich entwickelnde Gesellschaft, die Familie, Lebensqualität, natürliche Lebensgrundlagen und den Umweltschutz unterstützen
3. Themen enthalten, die Wissenserwerb, Verständnis, Verantwortung und Erkenntnis innerhalb einer Demokratie mit einem König als Staatsoberhaupt fördern
Folgende Inhalte führen zu einem Aufführungsverbot in Thailand:
1. Sex-Szenen und/oder Darstellung von Geschlechtsteilen
2. Szenen, die die Monarchie oder das Land beleidigen oder die nationale Sicherheit gefährden bzw. dazu anstiften, dies zu tun
3. Szenen, die die Religion herabsetzen oder Geistliche, heilige Orte oder heilige Objekte respektlos darstellen
4. Szenen, die zu Zwietracht in der Bevölkerung führen oder die Außenpolitik beeinträchtigen
5. Szenen, die der Moral, der Kultur und den Traditionen des Landes widersprechen

Details

  • Länge

    103 min
  • Land

    Thailand, Deutschland
  • Vorführungsjahr

    2011
  • Herstellungsjahr

    2011
  • Regie

    Thunska Pansittivorakul
  • Mitwirkende

  • Produktionsfirma

    Jürgen Brüning Filmproduktion
  • Berlinale Sektion

    Forum
  • Berlinale Kategorie

    Dokumentarfilm

Biografie Thunska Pansittivorakul

              645/5000       Thunska Pansittivorakul wurde 1973 in Bangkok geboren. Er studierte Kunst an der Chulalongkorn Universität. Er gewann den Hauptpreis beim 4. Internationalen Dokumentarfilmfestival in Taiwan im Jahr 2004 für „Happy Berry“ und seine „Santikhiri-Sonate“ gewann 2019 den Preis der Stadt Lissabon für den besten internationalen Wettbewerbsfilm in DocListboa, Portugal. Sein Projekt „Heartbreak Pavilion“ gewann den Top Award des Pusan Promotion Plan (PPP) beim 10. Internationalen Filmfestival in Pusan im Jahr 2005. 2007 erhielt er den Silpatorn Award des Amtes für zeitgenössische Kunst des Ministeriums für Kultur, der jedes Jahr an einen herausragenden Künstler vergeben wird.               645/5000       Thunska Pansittivorakul wurde 1973 in Bangkok geboren. Er studierte Kunst an der Chulalongkorn Universität. Er gewann den Hauptpreis beim 4. Internationalen Dokumentarfilmfestival in Taiwan im Jahr 2004 für „Happy Berry“ und seine „Santikhiri-Sonate“ gewann 2019 den Preis der Stadt Lissabon für den besten internationalen Wettbewerbsfilm in DocListboa, Portugal. Sein Projekt „Heartbreak Pavilion“ gewann den Top Award des Pusan Promotion Plan (PPP) beim 10. Internationalen Filmfestival in Pusan im Jahr 2005. 2007 erhielt er den Silpatorn Award des Amtes für zeitgenössische Kunst des Ministeriums für Kultur, der jedes Jahr an einen herausragenden Künstler vergeben wird.

Filmografie Thunska Pansittivorakul

2004 Happy Berry | 2010 Reincarnate | 2015 Spacetime