Das war der Teddy Award 2012

Hier findet ihr alle Informationen, Interviews und Filmclips  zu den diesjährigen Preisträgern, alle Galaclips, Interviews mit der Jury, sowie Interviews zu den wichtigsten Themen in diesem Jahr.

Best Feature Film: Keep the Lights on

Begründung: Dieser Film zeichnet ein intimes Portrait der Schwierigkeiten beim Aufbauen liebervoller, unterstützender und ehrlicher Beziehungen. Präzise wird dabei die Waage gehalten zwischen genauer Beobachtung und kinematographischer Glanzleistung, so dass der Film universelle Themen mit einer einzigartigen visuellen Bandbreite zum Leben erweckt.

Manhattan, 1998: Ein Mann liegt halbnackt auf dem Bett und wählt verschiedene Telefonnummern, bis er ein passendes Sex-Date gefunden hat. Als es zur ersten Begegnung von Eric mit seinem Date Paul kommt, entlädt sich eine Leidenschaft, die zunächst ohne Zukunft scheint.
Zwei Jahre später teilen die beiden Männer jedoch ihr Zuhause und ihren Alltag. Erik ist Dokumentar-Filmemacher, während Paul als Anwalt einem geregelten Berufsleben nachgeht. Doch Paul ist labil und reißt immer wieder aus. Zwischen Gesprächen, Sex und Drogen ringen sie um einen gemeinsamen Lebensrhythmus, doch Süchte und Zwänge lassen ihre Partnerschaft immer wieder entgleisen. Beide wollen nicht aufgeben und um das Fortbestehen der Paar-Geborgenheit kämpfen.
Von der ersten Einstellung an nähert sich Regisseur Ira Sachs seinem Männerpaar mit aufrichtiger Intimität. Mit der wachsenden Instabilität ihrer Freundschaft und Liebe zeichnet er ein schonungsloses Bild menschlichen Miteinanders in unserer Zeit.

BEST Documentary: Call me Kuchu

Begründung: Die Jury ehrt diese wichtige Geschichte, die intelligent und pointiert umrissen wird und das Leben und mutige Beispiel eines alltäglichen Helden würdigt und zugleich schockierende Menschenrechtsverletzungen offenlegt. Die Botschaft der Dokumentation wird global aufgenommen und als ein Aufruf zum Handeln verstanden.
 
Das Anti-Homosexualitäts-Gesetz, das religiöse Gruppen in Uganda durchzusetzen versuchen, verlangt den Freiheitsentzug für Homosexuelle und in „schweren Fällen“ sogar die Todesstrafe. In dem Land, in dem 95 Prozent der Bevölkerung die Kriminalisierung von Homosexualität befürworten, kämpft eine Gruppe queerer Aktivisten gegen dieses Gesetz.
Der Film beschreibt das Leben David Katos, des ersten öffentlich schwulen Aktivisten Ugandas, und seiner Mitstreiter. Es ist von ständiger Angst vor Angriffen geprägt, aber auch von Momenten des Glücks und des gemeinsamen Feierns. Hasserfüllt und sarkastisch äußern sich christliche Fanatiker im Film, einzig der Bischof Christopher Senyonjo stellt sich demonstrativ auf die Seite der Verfolgten und bietet ihnen Schutz vor Übergriffen.
Eine tragische Wende erlebt der Film, als David Kato von einem Hammer erschlagen in seinem Bett aufgefunden wird. Nachdem der Pastor bei der Trauerfeier Schwulenhass predigt und es zu Tumulten kommt, ist es wieder Senyonjo, der Kato seinen letzten Segen gibt und den Trauernden Mut macht.
Ruhig beobachtend zeichnet der Film ein Bild extremer Homophobie, christlich-religiösen Fanatismus’ und einer gerade daraus erstarkenden LGTB-Gemeinschaft.

Interview CALL ME KUCHU

Filmclip CALL ME KUCHU

Filmclip CALL ME KUCHU

Gala Clip

Best shortfilm: Loxoro

Begründung: Die Jury war beeindruckt von der meisterhaften Art, auf welche der Film das Leben einer kaum beschriebenen Gemeinde beleuchtet und ehrt, dabei evoziert der eine Reibung und doch auch eine Menschlichkeit, die selten derart vollendet realisiert wird im Kurzfilm.

Lima, Peru. Dunkelheit.
Makuti, eine alleinstehende Mutter in mittleren Jahren, sucht verzweifelt nach ihrer 19jährigen Tochter Mía. Mía ist fortgegangen, um auf der Straße zu arbeiten. Makuti und ihre Tochter sind keine gewöhnlichen Frauen: Sie sind Transsexuelle, ihre Sprache heißt Loxoro. Der Film zeigt eine Suche, die Grenzen überschreitet, um eine Welt zu finden, die ebenso entlegen wie unbekannt ist. Das Unbekannte ist hier zugleich das Vertraute.

SPECIAL Jury Award: Jaurès

Begründung: Auf formaler und narrativer Ebene herausragend zeigt der Film den menschlichen Impuls das persönliche und emotionale mit dem politischen abzugleichen. Die Jury ehrt einen außergewähnlichen Essay-Film voller Tiefgang und Schönheit.
 
Ein Studio. Ein Mann und eine Frau. Auf der Leinwand bewegte Bilder, die er kommentiert, angespornt von ihren Fragen. Sämtliche Aufnahmen sind aus dem Fenster einer Wohnung entstanden, Blicke auf die Straße, auf die Hochbahn, den Kanal, in die Fenster gegenüberliegender Gebäude. Die Wohnung gehört dem Geliebten des Mannes, er ist Gast, verbringt seine Nächte dort, niemals die Tage. Am Ufer richten sich junge Männer aus Afghanistan notdürftig ein, der Mann sieht ihnen zu, entwickelt immer mehr Sympathie. Die Jahreszeiten vergehen, Winter, Frühling, Sommer.
Die Schauspielerin Eva Truffaut und der Filmemacher Vincent Dieutre unterhalten sich über die Liebe. Der Gesprächston ist gedämpft, fast flüsternd. Obwohl der filmische Blick aus dem Fenster gerichtet ist, geht es auch um das Dahinter. Die Geräusche von draußen mischen sich mit den Tönen von drinnen. Simon, der Geliebte, der Gewerkschafter und Bürgerrechtler, spielt Klavier. Ein Held sei er für ihn gewesen, sagt Dieutre. „Simon hat mich wieder gelehrt, was Mitgefühl heißt.“ Die Beziehung ist beendet, er spricht von ihm in der Vergangenheitsform, zärtlich und voller Achtung. Nur den Schlüssel für Simons Apartment an der Pariser Metrostation Jaurès hat er nie besessen. (Christoph Terhechte)

Zuschauerpreis der Siegessaeule/Else: Parada

Begründung: PARADA stach auf der diesjährigen Berlinale durch seine Einzigartigkeit hervor. Mit Hilfe von Humor, einem der stärksten und transgressivsten Mittel, die das Kino zur Verfügung hat, vereint er nicht nur Homos und Homohasser auf der Leinwand, sondern auch ein gesamtes Publikum. Der Kinostart in Serbien hat gezeigt, dass PARADA wie kein anderer Film vermag, jedem, ob alt oder jung, queer oder straight zu vermitteln, dass wir alle nur Menschen sind, die Liebe und Freiheit brauchen -  ganz unabhängig davon wen oder wie wir lieben. Die Jury möchte mit ihrer Entscheidung die weitere Verbreitung des Filmes und vor allem dessen Botschaft unterstützen.
 
Grenzüberschreitungen werden in PARADA zum komödiantischen Prinzip. Das wilde Spiel mit Klischees und Stereotypen wurde in Serbien und in den Nachbarländern zum überraschenden Publikumserfolg. Hier verbinden lebensrettende Maßnahmen an einem Gangster-Pitbull zwei Welten, trifft Old-School-Machismo auf schwulen Einrichtungswahn, Homophobie auf exaltierte Geschlechterinszenierungen, hier bilden die alten Feinde – Serben, bosnische Muslime, Kosovo-Albaner und kroatische Kriegsveteranen – zusammen mit Schwulen-Aktivisten eine utopische Truppe. Gemeinsam wird man zum Himmelfahrtskommando auf Mission Impossible, will Nationalisten und Neonazi-Organisationen trotzen und dem erneuten Versuch einer Gay Pride Parade zum Erfolg verhelfen.
Srđjan Dragojevic Film ist ein Blick auf schwules (Über-)Leben in Serbien und ein Streifzug durch eine immer noch angeschlagene, zerrissene Gesellschaft, deren Fronten sich noch Jahre nach dem Krieg ziemlich erstarrt gegenüberstehen. Und wie es sich für eine richtige Komödie gehört, schwebt die Tragik der Wirklichkeit über der turbulenten Handlung.

Special Teddy Award i: Ulrike Ottinger

Bereits mit ihren frühen Filmen der 70er Jahre war Ulrike Ottinger zu einer kulturell und emanzipatorisch inspirierenden Ikone der deutschen Filmlandschaft geworden. Laokoon und Söhne, die Betörung der blauen Matrosen und Madame X nahmen gesellschaftliche und ästhetische Entwicklungen vorweg und waren stilistische Wegbereiter einer sich erst entwickelnden Punk-Kultur: Werke einer wahren Avantgardistin. In den 80ern formulierten ihre Filme einen wesentlichen Teil des West-Berliner Filmkunst-Verständnisses. Den herkömmlichen Erscheinungsformen des Menschen fügten Ulrike Ottingers Filme eine Vielzahl von Facetten hinzu, die die Dualismen wie Mann-Frau oder Schwarz-Weiss armselig erscheinen ließen und einer Diversität Raum gaben, die heute zu den prägenden Eigenschaften berliner Kultur geworden ist.

Sepcial TEDDY AWARD II: Mario Montez

Pate aller Superstars und deren Blueprint zugleich: schon mit seinen ersten Auftritten in den Filmen von US-underground-Ikone Jack Smith in den frühen 60er Jahren setzt Mario Montez die Fantasie von Zuschauern und zukünftigen Regisseuren wie Andy Warhol oder Ron Rice gleichermaßen frei. Auch in legendären Theaterereignissen von Ronald Tavel oder Charles Ludlam hinterließ Mario Montez einen prägenden Eindruck: sein Spiel mit der Identität, die Überhöhung des konservativen Geschlechterrollendiktats erzeugten das Bild einer befreiend-vielgeschlechtlichen Diva. Spätestens seit seinen Auftritten in den frisch restaurierten Jack Smith Filmen im Panorama Mitte der 90er Jahre und in der umfassenden Jack Smith Werkschau 2009 im Arsenal hat Mario Montez auch das berliner Publikum zurückerobert.
 

Teddy Jury 2012 im Interview

Im Interview mit Magnus Rosengarten stellt sich die diesjährige TEDDY JURY vor und berichtet von ihren Festivaleindrücken.
 

Queer Academy

 

Bislang gibt es keine Institution, die einheitlich das queere Kulturgut sammelt, verwaltet und zugänglich macht. Ein derartiges kulturelles soll in der Queer Academy ein zu Hause finden. Auf der TEDDY GALA wird die Queer Academy vorgestellt.

Transrespect vs. transphobie

 

 

TEDDY's Hauptthema in diesem Jahr ist trans*. Magnus Rosengarten spricht im Interview mit Richard Köhler und Julia Ehrt über trans* in Europa, Herausforderungen und Transphobie.

Queer in der Türkei

 

Bilge Taş, Festivalorganisatorin und diesjähriges TEDDY JURY Mitglied, spricht im Interview mit Philipp Schmidt über das einzige queer Filmfestival in der Türkei, über die Situation von queeren Menschen in ihrem Land und ihre Motivation Festivals zu organisieren.

Queer im Wandel der Zeit

 

Im Interview spricht Rosa von Praunheim über seinen Film NICHT DER HOMOSEXUELLE IST PERVERS SONDERN DIE SITUATION IN DER ER LEBT über den Wandel der queeren Welt und die Möglichkeiten aus der Vergangenheit zu lernen.